Die interkulturelle Bedeutung der Dinge
Kultur beschreibt die Lebensformen und Wertvorstellungen einer Bevölkerung in einer Region innerhalb eines bestimmten Zeitraums. Die eigene Kultur wird einem oft erst bewusst, wenn man auf eine andere Kultur trifft und die Menschen dort anders als erwartet reagieren, wenn vertraute Verhaltensweisen plötzlich nicht verstanden werden und man den vorherrschenden Normen und Rollenerwartungen mangels Verständnis nicht gerecht werden kann. Verhaltensweisen und Einstellungen die außerhalb eines bestimmten Toleranzbereichs der dort vorherrschenden Kulturstandards liegen werden abgelehnt. Was in der eigenen Heimat noch als logische Konsequenz bewährter Verhaltensroutinen vertraut war hat hier mitunter keine Relevanz mehr und das Kulturgerechte Verhalten muss erst neu erlernt werden.
Objekten können in unterschiedlichen Nationen voneinander abweichende Bedeutungen zugesprochen werden. Ganz abgesehen davon, dass moderne, industrielle Güter in vielen Gegenden der Erde kaum vorgefunden werden. In Neu Guinea wird beispielsweise gebogene Eberhaut als besonders wertvoll angesehen und die Sakkudei auf Mentawei, Indonesien legen sich Schmuck an, damit ihre Seele sich wohl bei ihnen fühlt und nicht zu den Ahnen entflieht.
Das die Bedeutung nicht in den Dingen selbst liegt, sondern vielmehr kulturellen Eigenarten unterliegt erklärt Philosoph und Kunstkritiker Knut Ebeling an einem anschaulichen Beispiel: „In einigen Teilen Afrikas – z. B. in Tansania – verkauft man medizinische Tabletten nicht nach ihrer Funktion oder ihrer Wirkung; man kann dort nicht in eine Apotheke gehen und Tabletten gegen Grippe oder Malaria kaufen. Stattdessen ordnet man die Arzneimittel nach Form und Farbe: Man kann entweder grüne oder rosafarbene, weiße oder gelbe Tabletten kaufen. Oder man kauft runde oder ovale, kugelförmige oder flüssige Arzneimittel. Sie wünschen? Einmal grüne ovale Kapseln bitte. Einmal eine rosane trübe Flüssigkeit. Wofür oder wogegen die rosanen Flüssigkeiten und ovalen Kapseln sind, ist sekundärer Natur. Wenn ihre Funktion überhaupt zur Sprache kommt oder kommen kann.“ (Quelle: Knut Ebeling)
Ein Problem innerhalb der ethnologischen Forschungsarbeit an Dingen ist, dass die Gegenstände an sich ja nicht von ihrer Bedeutung erzählen können (ganz abgesehen davon das ihnen in ihrer Eigenschaft als Forschungsobjekt bereits eine völlig neue Bedeutung zugekommen ist). Es ist wohl möglich entlang unterschiedlicher Untersuchungsmethoden bestimmte Objekteigenschaften zu erforschen, wie beispielsweise das Material, die Größe, die Herstellung und die Verwendung oder auch das Alter und die Herkunft der Dinge. Um zu einer Aussage über die kulturelle Bedeutung der Gegenstände, wie beispielsweise die Symbolik von Verzierungen, zu kommen reicht eine Reduktion der Untersuchung auf die sinnlich wahrnehmbaren Phänomene der Objekte nicht aus. Eine Innenansicht auf die Dinge lässt sich letztlich nur im direkten Kontakt mit den Menschen der entsprechenden Kultur erfahren. Erst die Auseinandersetzung mit den Emotionen, Normen und Werten der Kulturmitglieder führen zu einem annähernden Verständnis.